Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte 12 waren an der RPTU Kaiserslautern zum Zeitzeugengespräch. Zu Gast war der 96jährige Dr. Gerhard Wiese. Dr. Wiese war einer der drei Staatsanwälte, die beim ersten Auschwitzprozess (1963-65) die Anklage gegen 22 SS-Angehörige des Konzentrationslagers Auschwitz vertreten hatten.
Der Redner fesselte die mehreren hundert Zuhörer im Audimax der Universität mit seinen Erzählungen; Mit 15 Jahren wurde er 1943 zum Flakhelfer ausgebildet, mit 17 wurde er Soldat und geriet im Mai 1945 in sowjetische Gefangenschaft. Zu seinem Glück wurde er schon nach vier Monaten entlassen und konnte dann in Berlin weiter die Schule besuchen.
Nach seinem Abitur und dem Jurstudium verschlug es Dr. Wiese nach Hessen und letztendlich zur Staatsanwaltschaft Frankfurt, wo sich Generalstaatsanwalt Fritz Bauer dafür stark machte, Verbrechen des Dritten Reiches vor Gericht zu bringen, eine in der konservativen Adenauerära nicht gern gesehene Entscheidung.
Sehr schwierig gestaltete sich die Beweislage und die Beweisaufnahme sowie die Zeugenbefragungen, meist polnisch oder russisch sprechend. Erstaunlicherweise klappte dann mitten im Kalten Krieg eine Ortsbesichtigung im heute in Polen liegenden Konzentrationslager Auschwitz, obwohl die Bundesrepublik und Polen damals keinerlei diplomatische Beziehungen unterhielten. Aber auch das Interesse Polens an der Verurteilung der Verbrecher war enorm, so dass es möglich war, vor Ort Beweise, Hör-und Sichtproben zu sichern.
Trotz aller Bemühungen konnten von den 22 Angeklagten nur sechs zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt werden, andere bekamen nur kurze Haftstrafen oder wurden sogar freigesprochen. Man merkte dem Redner an, dass ihn dies bis heute wurmt, aber die damalige Rechtsprechung arbeitete noch mit Geschworenen und die Beweislage gab nicht mehr her.
Herr Dr. Wiese ging 1993 in Pension und berichte seit dieser Zeit von seinen Erfahrungen im Prozess an Schulen, Universitäten und juristischen Vereinigungen als Zeitzeuge. Sehr beeindruckend trug der 96-Jährige völlig frei seine Erlebnisse vor und beantwortete eloquent die zahlreichen Fragen des Auditoriums. Zu Recht wurde der Redner am Ende der Veranstaltung mit Standing Ovations verabschiedet.
Da bei einer Exkursion das leibliche Wohl auch nicht zu kurz kommen darf, kehrte der Stammkurs Geschichte im Anschluss an den Vortrag noch in einer nahegelegenen Pizzeria ein, um die Eindrücke noch zu besprechen.
– A. Zimmermann


